Minimalistische Miniaturen
Sorry Gilberto betörten im Prinz Willy miteigenwilligem Folkpop
Kiel – Das ist doch mal ein sympathischer Zug. Nicht der pathetischen Pop-Hymne oder seelenstrippendem Songwriting wird hier gehuldigt, sondern zur Abwechs-lung der Kunst des lakonischen Liedguts. Charmant vertonte Geschichten von kleinen Roboterfreunden mit Gefühlsproblemen, von un-bekannten Straßen Oslos oder verloren gegangenen Er-innerungen erzählt das Duo Sorry Gilberto im Prinz Willy. „I want to sing you a silly song“, haucht Anne von Keller mit einer Stimme, ange-siedelt zwischen naivem Ab-zählvers und absichtsvollem Purismus. Kein spezielles Zeug sei das, heißt es weiter im mit unverhohlenen deutsch-kantigem Akzent vorgetragenen englischen Text des Silly Song, sondern nur ein Lied, das zum Tanzen animiere solle vor dem Bade-zimmerspiegel mit der Zahn-bürste und mit komischen Haaren. Na klar, das mit dem Badezimmerspiegel funktio-niert im locker gefüllten Prinz Willy so natürlich nicht. Auch zum Tanzen er-hebt sich aus den tiefer geleg-ten Sesseln keiner. Aber die entspannte Stimmung passt doch recht gut zum Konzert der Berliner, die auf der vor-letzter Station ihrer Deutsch-landtour über Weimar, Mün-chen, Karlsruhe, Münster, Bremen, kurz: „Einmal im Kreis durch die Republik, oder war es doch eher ein Oval?“ auch in Kiel haltma-chen. Seit drei Jahren musiziert man gemeinsam, zuerst noch zu viert, mit Drummer und Pianist, bis man feststellte, dass der angestrebte Sound zu zweit einfach besser klappt. Herausgekommen ist ein gutes Dutzend minimalis-tische Song-Miniaturen: Ir-gendwo auf der Kippe zwi-schen Folk, den Jakob Dobers im Slacker-Outfit auf E-Gi-tarre oder Ukulele schram-melt und zupft, und der alt-modisch piepsigen „Da-Da-Da“-Elektronik aus dem Ca-sio oder der warm tönenden Rodeo-37-Orgel, die beide von Anne von Keller bedient werden. Wenn sie nicht gera-de, hinterm Haarvorhang fast verborgen, den Bass an-schlägt oder gar die Blockflö-te auspackt. Gesungen wird einzeln und auch im Duett: Stücke ihres im Sommer die-ses Jahres erschienenen De-bütalbums memory oh. Mal meint man Leonard Cohen um die Ecke biegen zu hören, wenn Jakob Dobers mit sono-rer Sprech-Stakkato-Stimme im Song Last Book viel mehr Worte an die Töne verliert, als diese eigentlich fassen kön-nen. Dann wieder klingt es versponnen, aber trotzdem kein bisschen depressiv, wenn sich Anne von Keller zu Drumcomputer-Beat und plinkender Ukulele in This Roof ein Leben in der „twi-light zone“ erträumt. So bleibt der Tenor bewusst im Ungefähren, nicht zu ernst, aber auch auf keinen Fall zu seicht. Mit einigen schönen Assoziationen angereichert geht man nach Hause. Von Beate Jänicke