Kiel - Es sind diese Abende, an denen von weit das Sommerloch gähnt, wo sich nach einem zwar nicht glühenden, aber brühwarmen Sommertag erfrischende Wolken am
Himmel zusammenbrauen, wo etwas zur Ruhe kommt, das Erlösung will, ohne zu wissen, was das sei. Genauso könnte man auch die seltsamen Songs der Baseler One-Man-Band Combineharvester alias Marlon Mc
Neill beschreiben, die er an eben so einem Abend im Prinz Willy zwei Händen voll dorthin Versprengter präsentiert.
Mc Neill sieht sich nicht als Singer-Songwriter, eher als jemand, der Musik macht, „die sich um kleine Gedichte hüllt“. Entsprechend ist sein Gitarrenspiel ohne Melodie, beschränkt sich auf
minimalistische Akkord-Ostinati und schwingt sich nur selten aus der dunkel raunenden Tiefe der E- und A-Saite auf. Ein Sound so dämmrig-düster wie Mc Neills englische Texte. „Rain is coming / And
I'm falling too fast“ heißt es etwa in
Blue Sky, von dessen Titel man sich nicht beirren lassen sollte. Auch nicht davon, dass Mc Neill diesen Song als „das erste meiner zwei einzigen Liebeslieder“ ankündigt, die anderen seien weniger
„liebig“. Sie sind noch ein bisschen düsterer.
Außer
Fishes, worin er einen Zwei-Ton-Wechsel aus dem Echogerät gegen ein auf der Gitarre gespieltes Arpeggio eines vollen Akkords setzt, wobei ein rhythmisch flirrendes Continuo entsteht. Ein treffender
Soundtrack für die widerständigen Meeresbewohner: „Fishes are good at swimming upstream.“ So gegen den Strom bewegen sich alle Songs von Combineharvester. Manche sind gerade mal 30 Sekunden kurz -
musikalische Haikus als „Hüllen“ für Texte, die als miniaturisierte Einfälle wie ein fernes Wetterleuchten aufblitzen. Etwa die lakonische Zustandsbeschreibung: „I didn't feel much / Not much pain at
all / I just kept walking on / With a little headache.“ Das war's schon. Kaum etwas passiert in den Zeilen, aber sehr viel dazwischen.
Andere Songs könnte man als Balladen durchgehen lassen - wenn Mc Neill oder dem Zuhörer eine solche Einordnung denn etwas nützte. Hier werden keine großen Worte gemacht, aber winzige, die sich wie
Atome zu Stimmungsmolekülen verdichten. Deren Wirkung ist dem Combineharvester manchmal selbst nicht bewusst. „Ich weiß nicht, worum es sich beim nächsten Song handelt“, gesteht Mc Neill und reiht
darin Fragen, die wie Antworten klingen - und manchmal umgekehrt.
Eine Musik, die, indem sie alles offen lässt, jede Leerstelle hoch verdichtet füllt. Etwas wie etwas, das es gar nicht gibt - wie das Sommerloch, aus dem es, tritt man nach schmucklos schönen drei
Zugaben seltsam beseelt aus dem Prinz Willy, ein paar Tränen regnet: die traurig-frohe Ernte dieses Sommerabends.